Stellungnahme der DGP zum Referentenentwurf des Pflegestudiumstärkungsgesetzes

deutsche gesellschaft für pflegewissenschaft hochschulische pflegeausbildungDie Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. (DGP) begrüßt das Gesetzesvorhaben zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung (Pflegestudiumstärkungsgesetz). Sie nimmt mit dieser Stellungnahme die Möglichkeit wahr, aus fachwissenschaftlichen Perspektiven den vorliegenden Gesetzesentwurf einzuschätzen.

Mit dem Referentenentwurf reagiert die Bundesregierung auf die von Studierenden und in Fachkreisen formulierten Defizite bei der Etablierung, Durchführung und Stärkung der primärqualifizierenden grundständigen Pflegestudiengänge. Durch die zu erwartende Veränderung des Pflegeberufegesetzes in der Fassung des Jahres 2017 – insbesondere der Ausgleich der fehlenden Finanzierung des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung - wird jungen Menschen ein attraktiver Qualifizierungsweg für den Pflegeberuf ermöglicht. Zudem lässt dies eine Stärkung der primärqualifizierenden akademischen Pflegeausbildung erwarten. Daher erfährt das Ziel, die praktischen Studienanteile durch den Ausbildungsfond zu finanzieren, unsererseits große Unterstützung. Mit dem Gesetzesentwurf werden politische Weichen gestellt, die das primärqualifizierende Pflegestudium nicht nur attraktiver für Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung machen, sondern auch die Akademisierung beruflich Pflegender unterstützen. Dies stärkt die Schaffung des notwendigen Qualifikationsmixes in der Pflege und trägt zur Vereinheitlichung bestehender und zur Einführung weiterer grundständiger primärqualifizierender Pflegestudiengänge bei.

Insgesamt begrüßt die Fachgesellschaft den im vorliegenden Referentenentwurf geäußerten Willen ausdrücklich, bisherigen strukturellen Hürden bei der Implementierung und Durchführung von Pflegestudiengängen entsprechend dem PflBG zu begegnen. Besonders positiv sind dabei hervorzuheben:

• die Vergütung für die Pflegestudierenden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Pflegestudium im Vergleich zu anderen Studiengängen mit 2.300 Stunden eine sehr hohe Anzahl an Praxisstunden zu erbringen ist,
• eine Refinanzierung der Praxisanleitung für die Praxiseinrichtung,
• eine gesetzliche Vorgabe zum Mindestumfang der zu erbringenden Praxisanleitung von 10%, analog den Vorgaben für die berufliche Pflegeausbildung, sowie
• die neu geschaffene Möglichkeit einer anwendungsorientierten Parcoursprüfung.

Aus Sicht der Fachgesellschaft sind allerdings am Referentenentwurf wichtige Aspekte kritisch zu betrachten und bedürfen entsprechender Änderungen und Anpassungen, um die Widersprüchlichkeiten, die zu grundsätzlichen Orientierungen eines akademischen Studiums an Hochschulen und Universitäten bestehen, zu beheben. Unsere Hinweise basieren auf direkten Erfahrungen derjenigen, die in der Verantwortung bei der Entwicklung, Implementierung und Durchführung primärqualifizierender Pflegestudiengänge stehen. Sie stellen insofern nicht nur theoretisch argumentierte, sondern vielmehr auch aus der Hochschulpraxis gewonnene Aspekte dar.

Einbezug des Wissenschaftsministeriums

Da es sich bei der hochschulischen Pflegeausbildung um ein Studium handelt, sollte für den Kabinettsentwurf unbedingt auch das Wissenschaftsministerium einbezogen werden, damit die Vorgaben des Akkreditierungsrates berücksichtigt werden können. In den Empfehlungen des Wissenschaftsrats (WR) zu dualen Studiengängen in Deutschland wird deutlich darauf hingewiesen, dass der Praxisbezug nicht die Qualität der wissenschaftlichen Ausbildung beeinträchtigen darf. Diesen Grundsatz sehen wir im vorliegenden Referentenentwurf bislang nicht deutlich genug beachtet.
Im Referentenentwurf des Pflegestudiumstärkungsgesetzes wird das Pflegestudium als duales Studium ausgewiesen. Es wäre zu begrüßen, wenn im Gesetz klar benannt werden würde, dass es sich dabei um ein praxisintegriertes duales Studium nach Definition des WR handelt. Damit würde die Verantwortung der Hochschulen als inhaltliche Gestalterin zusätzlich geklärt, sodass im Rahmen von Akkreditierungsprozessen seitens der Hochschule eine eindeutige Klassifikation des Studiums vorgenommen werden kann.

Gesamtverantwortung der Hochschule sicherstellen

Mit Blick auf Änderung des Pflegeberufegesetzes (PflBG) § 38a sollte die Gesamtverantwortung der Hochschule für die hochschulische Pflegeausbildung unbedingt beibehalten werden. Aus Perspektive der DGP ist die klare Verantwortung der Hochschule zu unterstreichen. Es sollte deutlich werden, dass der Hochschule in Bezug auf die theoretischen und praktischen Teile des Pflegestudiums die Gesamtverantwortung obliegt.
Positiv herauszustellen ist, dass der Ausbildungsplan „nach den Maßgaben der Hochschule für jede studierende Person zu erstellen ist“ und ggf. nach Weisung der Hochschule anzupassen ist. Hier findet sich eine Analogie zu dem Hebammenstudium. Diese Analogie sollte auch dadurch ausgedrückt werden, dass die „Gesamtverantwortung“ der praktischen Ausbildung der Hochschule zugesprochen wird, wie es in §22 des Hebammengesetzes formuliert ist. Aktuell zeigt sich, dass viele Träger der praktischen Ausbildung auch in Teil 2 des Pflegeberufegesetzes nicht in der Lage sind, die Ausbildungspläne zu erstellen. Viele Träger greifen auf die Möglichkeit zurück, dass die Aufgaben des Trägers der praktischen Ausbildung nach Abs. 3 von einer Pflegeschule wahrgenommen werden können (§8 Abs. 4 des Pflegeberufegesetzes). Angesichts einer nicht hochschulisch geprägten Pflegepraxis in allen Sektoren der Ausbildung, sollte die Verantwortung für die praktische Ausbildung und die Erstellung der Ausbildungspläne auf Seiten der Hochschule verortet werden. Dies ermöglicht auch die Berücksichtigung spezifischer Besonderheiten des Studiums, wie z.B. die Wahrnehmung von Studium und Praxis im Ausland, was in jedem Studium laut Musterordnung des Akkreditierungsrates zu ermöglichen ist.

Ausbildungsvertrag

Der vorliegende Referentenentwurf sieht vor, dass Studierende zukünftig mit einer Praxiseinrichtung einen Vertrag abschließen und damit „während der gesamten Dauer des Vertragsverhältnisses Arbeitnehmer im Sinne von § 5 des Betriebsverfassungsgesetzes oder von § 4 des Bundespersonalvertretungsgesetzes des Trägers des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung“ sind. (§ 38b Abs. 3)
Auf Grundlage dieses Vertrags wird den Studierenden „während der gesamten Dauer des Vertragsverhältnisses eine angemessene monatliche Vergütung“ ermöglicht (§ 38b Abs. 2), welche sich aus dem Ausgleichsfonds nach der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung speist.
Die daraus resultierende Arbeitnehmer*innen-Stellung der Studierenden führt jedoch zu diversen Problemen und Konflikten mit hochschulischen Regularien und den Zielsetzungen des Studiums. Aus hochschulischer Sicht ist eine Arbeitnehmerstellung von Studierenden kritisch zu bewerten.
Daher sind aus unserer Sicht einige hochschulische und studiengangsspezifische Aspekte in den Verträgen der Studierenden mit einem Partner der hochschulischen Pflegeausbildung unbedingt zu berücksichtigen. Dazu gehören die Sicherstellung der Vorlesungs- und vorlesungsfreien Zeiten, die Verhinderung von Mehrarbeit über die im Gesetz vorgeschriebenen 2300 Stunden hinaus, die Ermöglichung des Wechsels zu anderen Partnern während des Studienverlaufs sowie von Auslandsaufenthalten, die Sicherstellung individueller Studienverläufe sowie die Sicherstellung der Vergütung während des gesamten Studiums unabhängig von der Dauer an unterschiedlichen Studiengangsorten. Diese Aspekte sind vermutlich mit dem Satz aus §38b („Die Vorschriften von Teil 2 Abschnitt 2 finden mit der Maßgabe entsprechend Anwendung“) gemeint, sollten aber unmissverständlich ausgeführt werden.

Weitergehende Perspektiven

Simulationslernen und Simulationsprüfung ermöglichen

Zudem sollte aus unserer Sicht der § 45a der Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrVo) auch für das Pflegestudium in der Primärqualifikation gelten. So könnte eine Simulationsprüfung, wie bspw. in § 45a als anwendungsorientierte Parcoursprüfung beschrieben, als staatliche praktische Abschlussprüfung erfolgen und damit den praktischen Prüfungsteil in der Praxis ersetzen. Damit wäre eine Analogie zu der staatlichen praktischen Prüfung im Hebammengesetz geschaffen. Vor dem Hintergrund anzustrebender standardisierter Prüfungs- und Bewertungsverfahren sowie in Hinblick auf die noch ausstehende hinlängliche akademische Qualifikation von Praxisanleitenden wäre dies anzustreben. Damit würden Klienten vulnerabler Gruppen nicht durch das Prüfungsgeschehen zusätzlich belastet. Die benannte Möglichkeit der anwendungsorientierten Parcoursprüfung im Rahmen der Kenntnisprüfung ist zu begrüßen. Die Simulationsprüfung könnte damit als optionale Möglichkeit äquivalent der praktischen Abschlussprüfung zum Hebammenstudium (§28, 29 HebStPrVo) erfolgen.
Schließlich erscheint eine Erhöhung der Simulationsanteile mittels Antrags auf 10-20 %, welche auf die praktischen Studienphasen anzurechnen sind, sinnvoll. Dabei sollte ein Konzept zur Umsetzung der simulationsbasierten Lehre bedingend sein.

Anerkennung abgeschlossener beruflicher Pflegeausbildung erleichtern

Zudem sollte für Personen mit bereits abgeschlossener beruflicher Pflegeausbildung wie folgt ergänzt werden: Für Personen, die nach §38 (5) PflBG eine erfolgreich absolvierte Pflegeausbildung geltend machen, entfallen weitere staatliche Prüfungen. Das Studium schließt mit der Verleihung des akademischen Grades durch die Hochschule ab. Die Hochschule überprüft das Erreichen der Ausbildungsziele nach § 37 durch erfolgreiche Absolvierung der Bachelorthesis.

Sicherstellung der Finanzmittel für die Hochschulen

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass der Referentenentwurf vorsieht, die Durchführung der Lehrveranstaltungen und die sonstigen Kosten der Hochschulen wie bisher durch die Länder zu finanzieren. Empfehlungen weisen darauf hin, „… dass die den Hochschulen zur Verfügung stehenden Grundmittel (…) und die Landeszuführungsbeträge nicht ausreichen, um die erforderliche Zahl von Studienplätzen für die hochschulische Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund hält es der Wissenschaftsrat für notwendig, die für die hier empfohlene Akademisierung der Gesundheitsfachberufe erforderlichen Mittel bereitzustellen.“ (Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen, WR 2012, Drs. 2411-12, S. 9).


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Inge Eberl, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. (DGP)
Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


Weitere Informationen:

https://dg-pflegewissenschaft.de/aktuelles/stellungnahme-der-deutschen-gesellsch...


Foto: vegefox.com – stock.adobe.com

 

 

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