von Markus Wübbeler & Johannes Bergmann
utb GmbH, Stuttgart, 1. Auflage 2024, 360 Seiten, 44,90 €, ISBN 978-3-8252-5555-6
Mit dem vierten Band der Reihe „Pflege studieren“ bietet das Buch Pflegeforschung von Prof. Dr. Markus Wübbeler und Dr. Johannes Michael Bergmann eine umfassende Einführung in dieses Thema, die auf die im Pflegeberufegesetz definierten Ausbildungs- und Kompetenzanforderungen an Pflegestudierende abgestimmt ist. Das Buch richtet sich vorrangig an Studierende der Pflegewissenschaft, eignet sich jedoch ebenso für Pflegefachpersonen, die sich mit evidenzbasierter Pflege auseinandersetzen möchten.
Die Autoren bringen ausgewiesene Expertise im Bereich der Pflegeforschung mit: Prof. Dr. Markus Wübbeler lehrt an der Hochschule für Gesundheit in Bochum und ist auf klinische Pflegeforschung, digitale Pflegeentwicklung und evidenzbasierte Praxis spezialisiert. Dr. Johannes Michael Bergmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Witten, forscht zur organisationsbezogenen Versorgungsforschung.
Pflegeforschunggliedert sich in vier große Abschnitte, die schrittweise von grundlegenden Inhalten bis hin zur konkreten pflegewissenschaftlichen Forschung aufgebaut sind. Die Autoren beginnen mit einem Überblick über die historischen Entwicklungen der Pflegeforschung und betten diese in die gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen ein, die die Pflegeforschung heute prägen. Sie machen dabei deutlich, wie essenziell wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse für eine qualitativ hochwertige Pflege sind und in welchen Bereichen das Potenzial von Pflegeforschung bislang nur unzureichend genutzt wird.
Im zweiten Teil liegt der Fokus auf der Vertiefung wissenschaftstheoretischer Grundlagen. Dabei erklären Wübbeler und Bergmann nicht nur die Bedeutung wissenschaftlicher Theorien und Konzepte für die Pflege, sondern bieten auch eine Einführung in die verschiedenen Forschungsmethoden, die für pflegerische Fragestellungen relevant sind. Besonders anschaulich werden quantitative und qualitative Forschungsmethoden nebeneinander dargestellt und die Eignung jeder Methode in Abhängigkeit von spezifischen Fragestellungen und Forschungszielen verdeutlicht.
Der dritte Teil des Buches vertieft das methodische Wissen und vermittelt fortgeschrittene Kenntnisse zur Umsetzung von Studien in der Pflegeforschung. Die Autoren erläutern statistische Grundbegriffe wie relative und absolute Häufigkeiten oder Lage- und Streuungsmaße. Sie erklären anschaulich die Berechnungswege und geben den Lesenden damit das nötige Werkzeug an die Hand, um statistische Auswertungen, nachzuvollziehen und Ergebnisse korrekt interpretieren zu können. Doch auch qualitative Methoden werden in diesem Teil weiter ausgearbeitet: Die Autoren beschreiben Techniken zur Datenerhebung wie qualitative Interviews, Gruppendiskussionen, teilnehmende Beobachtungen und Dokumentenanalyse und erklären, wie diese Verfahren gezielt in der Pflegeforschung eingesetzt werden können. Dabei wird auch auf Auswertungsmethoden eingegangen, die eine systematische und tiefgehende Analyse qualitativer Daten ermöglichen und so die Erfassung komplexer pflegerischer Phänomene unterstützen.
Nachdem auf Mixed-Methods Forschungsansätze eingegangen wird, endet der dritte Teil des Buches, mit einem Kapitel zu evidenzbasierter Praxis.
Im vierten und abschließenden Teil des Buches,Pflegeforschung anwenden, liegt der Fokus auf den Strukturen und Prozessen, die den Zugang zur praktischen Pflegeforschung erleichtern und deren Anwendung fördern. Die Autoren geben einen Überblick über zentrale Forschungsstrukturen in Deutschland und beleuchten die Rolle relevanter Institutionen, wie etwa steuerfinanzierter Forschungsstellen, Stiftungen, industrieller und außeruniversitärer Forschungsorganisationen sowie der hochschulischen Forschung. In einem Kapitel wird die Bedeutung von Projektmanagementfähigkeiten in der Forschung hervorgehoben und durch konkrete Beispiele veranschaulicht. Ein weiteres Thema ist die Recherche und Zusammenfassung von Studien, wobei praxisnahe Anleitungen zur effizienten Evidenzsuche gegeben werden. Abschließend werden Strategien vorgestellt, wie neue Forschungserkenntnisse in die Versorgungspraxis übertragen werden können.
Die Publikation besticht durch ihre praxisnahe und zielgruppengerechte Aufbereitung, die es besonders primärqualifizierend Studierenden ermöglicht, die komplexen Inhalte der Pflegeforschung nachvollziehbar zu erfassen. Die Autoren berücksichtigen die erweiterten Ausbildungsziele, die für hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen erforderlich sind, und bieten eine systematische Einführung in die wesentlichen Methoden und Denkweisen der Pflegewissenschaft. Die umfassende thematische Breite erlaubt es den Lesenden, von wissenschaftlichen Grundlagen und Methoden bis hin zu Anwendungsbeispielen der Pflegeforschung vorzudringen und so ein fundiertes Verständnis für die verschiedenen Facetten dieses Arbeitsbereichs zu entwickeln. Icons kennzeichnen Definitionen, Übungsaufgaben und Zusammenfassungen, und zahlreiche grafische Elemente, wie 25 Abbildungen und 21 Tabellen, erleichtern in vielen Abschnitten das Verständnis.
Jedoch sind einige Diagramme wie die Evidenzhierarchie auf Seite 238 etwas klein und kontrastarm geraten und daher schwierig zu lesen. Größere Darstellungen innerhalb des Fließtextes stehen allerdings mit dem kompakten Buchformat im Konflikt. Vielleicht hätte sich hier die Verwendung von digitalen Ergänzungen farbiger, größenskalierbarer Abbildungen bspw. über QR-Codes geeignet. Deren Anwendung könnte auch den schnellen Zugriff zu den zahlreichen, nützlichen Online-Verweisen erleichtern. Niedrigschwelligkeit im kompakten Format eines Überblicklehrbuchs bedarf Vereinfachungen. Ob es jedoch genügt Pflegefachpersonen in Deutschland die Evidenzpyramide von Sacket und Kolleg:innen vorzustellen, obwohl es hierzulande für evidenzbasierte Praxis oft an geeigneten Metaanalysen und auch randomisiert-kontrollierten Studien fehlt, ist diskussionswürdig. Ergänzend könnte der „Evidenztrichter“ den forschungsinteressierten Pflegefachpersonen zu mehr Handlungs- und Entscheidungssicherheit im Kontext von evidenzbasierter Praxis verhelfen (Edmonds et al., 2024).
Pflegeforschungvon Wübbeler und Bergmann ist nicht nur ein kompaktes und nützliches Handbuch für Pflegestudierende. Die Autoren beteiligen sich mit diesem Werk am Brückenbau zwischen Pflegewissenschaft und Pflegepraxis. Durch die didaktische Aufbereitung, die Fülle an Beispielen und den starken Praxisbezug schafft das Buch eine fundierte Basis für all jene, die mit Hilfe von Pflegeforschung evidenzbasierte Praxis, Versorgungsqualität sowie Professionalisierung des Pflegeberufs voranbringen wollen. Für Studierende im Bachelor- und Masterstudium sowie für Fachpersonen in der Praxis bietet dieses Buch sowohl eine solide Einführung als auch die Möglichkeit zur Entwicklung forschungsbasierter Kenntnisse und Kompetenzen.
Literatur
Edmonds, S. W., Cullen, L., & DeBerg, J. (2024). The Problem with the Pyramid for Grading Evidence: The Evidence Funnel Solution.Journal of PeriAnesthesia Nursing,39(3), 484-488.
Sackett, D. L., Rosenberg, W. M. C., Gray, J. A. M., Haynes, R. B., & Richardson, W. S. (1996).Evidence-based medicine: How to practice and teach EBM.Churchill Livingstone.
Eine Rezension von Johannes Wünscher, Master of Science Public Health
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