Evidence-basiertes Pflegehandeln – Entwicklung professioneller Handlungskompetenz

Evidence basiertes Pflegehandeln Entwicklung professioneller Handlungskompetenzvon Änne-Dörte Latteck & Norbert Seidl

Kohlhammer, Stuttgart, 2022, 184 Seiten, 32,00 €, ISBN 978-3-17-034286-6

 

In einer Zeit, in der die Pflege vor immer komplexeren Herausforderungen steht, rückt Evidence Based Nursing (EBN) stärker in den Fokus. Das Buch „Evidence-basiertes Pflegehandeln“ von Änne-Dörte Latteck und Norbert Seidl bietet einen ausführlichen Einblick in dieses wichtige Thema. Die Autor:innen, beide Professor:innen für Pflegewissenschaft an der Fachhochschule Bielefeld, bringen ihre langjährige Expertise in die Publikation ein. Änne-Dörte Latteck hat sich insbesondere auf pflegerische Versorgungsbedarfe von Menschen mit Behinderung und die Entwicklung von Versorgungskonzepten spezialisiert. Ihr Kollege Norbert Seidl widmet sich der Versorgungsforschung und dabei v.a. der Situation von Menschen mit Demenz.

Das Buch beginnt mit einer thematischen Einführung in die Evidence-basierte Pflege und widmet sich dann den Grundlagen des EBN. Die Autor:innen präsentieren die sechs Schritte des EBN-Konzepts ausführlich und vertiefen diese in den nachfolgenden Kapiteln. Das letzte Kapitel des Buchs befasst sich kritisch mit den Grenzen und Problemen dieses Ansatzes.

Das Buch besticht vor allem durch seine niedrigschwellige und praxistaugliche textliche Darstellung des EBN-Konzepts. Praxisbeispiele und Lern- sowie Reflektionsaufgaben machen Evidence-basiertes Pflegehandeln greifbar – besonders für Lesende am Anfang ihrer beruflichen Praxis. 

Das Buch richtet sich vor allem an Studierende und Lehrende im Pflegestudium. Es ist jedoch durchaus auch für Praxisanleitende, Pflegemanager:innen und alle Pflegefachpersonen sehr gut geeignet, die mit Bachelorabsolvent:innen in der Pflegepraxis zusammenarbeiten oder einen praxisorientierten Einstieg in das EBN-Konzept suchen.

Den Autor:innen gelingt die Darstellung der ersten vier Schritte des EBN-Konzepts sehr gut und ausgewogen, sowohl in der Ausführlichkeit als auch in der Wesentlichkeit der jeweiligen Kapitelinhalte. Besonders hervorzuheben sind die vielen praktischen Tipps und Literaturverweise, vor allem in den Kapiteln zur Literaturrecherche und -auswertung. Allerdings stößt das Buch in Bezug auf die Implementierung von neuen Maßnahmen und Prozessen an Grenzen. Hier fehlt es an Tiefe und Praxisnähe, um der Komplexität der notwendigen Prozesse gerecht zu werden. Während im Studium vor allem Recherche, Auswahl und Bewertung geeigneter Literatur geübt werden kann, können Studierende kaum Erfahrungen bei der Implementierung neuer Versorgungsprozesse sammeln. Doch genau daran wird in der Pflegepraxis später ihr Erfolg gemessen. Eine etwas ausführlichere Auseinandersetzung mit Erkenntnissen zur Implementierung von Innovationen in der Pflege, wie sie beispielsweise in der Publikation von Hoben, Bär und Wahl (2015) zu finden ist, hätte hier der Zielgruppe weiterhelfen können.

Die Gliederung des Buchs ist logisch und leicht verständlich. Es bietet eine solide Grundlage für das Verständnis von EBN. Der Fokus auf die praktische Anwendung macht es zu einem wertvollen Begleiter bei Studium und Berufseinstieg. Ein Werk, das sich an Pflegeeinsteiger:innen richtet, hätte jedoch durch die Verwendung von mehr ausgewählten Diagrammen oder Flowcharts das Verständnis komplexerer Inhalte erleichtern können, besonders bei Themen wie quantitativen Forschungsmethoden, diagnostischen Tests oder Prozessen wie Literaturrecherche oder Evaluation. Das Thema Evidence-basierte Pflege ist hochaktuell, insbesondere vor dem Hintergrund des Pflegestudiumsstärkungsgesetzes, wodurch die Bedingungen für Pflegestudierende verbessert wurden. Der Qualifikationsmix in der pflegerischen Versorgung wird nun hoffentlich immer häufiger gelebt werden. Das Buch „Evidence-basiertes Pflegehandeln“ hebt sich durch seine praxisorientierte Ausrichtung von vergleichbaren Publikationen deutlich ab und bietet einen niedrigschwelligen Zugang zum EBN-Konzept insbesondere für die Zielgruppe der Studierenden. 

Eine Rezension von Johannes Wünscher

 

 

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