Professionalisierung der Gesundheitsberufe – Berufliche und hochschulische Bildung im Spiegel aktueller Forschung

professionalisierung der gesundheitsberufevon Ulrike Weyland, Karin Reiber (Hrsg.)

Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2022, 348 Seiten, Paperback, 62,00 €, ISBN 978-3-515-13286-2 
Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Beiheft 33

 

Den esundheitsberufen kommt hinsichtlich der Prävention und dem Erhalt von Gesundheit angesichts des demographischen Wandels und des nach wie vor anhaltenden Fachkräftemangels mit steigender Tendenz eine große Bedeutung zu. Zudem hat die Corona-Pandemie deutlich gezeigt, dass ein belastbares Gesundheitssystem für die Bevölkerung von großer Bedeutung ist. Fachliche Anforderungen und gesellschaftliche Erwartungen an die Gesundheitsberufe haben zu einer Entwicklungsdynamik in der beruflichen Bildung geführt, die im wissenschaftlichen Diskurs verhandelt, mittels Theoriebildung analysiert sowie im Rahmen empirischer Zugänge erforscht wird. Hierzu leistet auch der vorliegende Sammelband „Professionalisierung der Gesundheitsberufe“ einen wichtigen Beitrag, indem er das Thema im Kontext beruflicher und hochschulischer Bildung im Spiegel der aktuellen Forschung in den Blick nimmt. Die einzelnen Beiträge beleuchten dabei unterschiedliche Entwicklungen in den Gesundheitsberufen, wobei der Schwerpunkt auf der beruflichen Ausbildung sowie auf der Fort- und Weiterbildung liegt. In den Blick genommen werden nicht nur die Akademisierung der Gesundheitsberufe, sondern auch die Anforderungen an Lehrpersonen bzw. das schulische Bildungspersonal.

Für die Herausgabe des Buches zeichnen sich Ulrike Weyland, Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Berufspädagogik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, und Karin Reiber, Professorin für Erziehungswissenschaft mit den Schwerpunkten Berufspädagogik und berufliche Didaktik der Pflegeberufe an der Hochschule Esslingen, verantwortlich. Wie die Herausgeberinnen einleitend schreiben, werde hier Professionalisierung „als anhaltende berufliche Entwicklungsaufgabe in kollektiver wie individueller Hinsicht konzeptualisiert, die ein Leitmotiv für die Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie für die Bildung des beruflichen Bildungspersonals darstellt“ (S. 8). In diesem Sinne läge dem vorliegenden Band ein Verständnis von Professionalisierung zugrunde, „das berufsimmanente Dynamiken sowie gesellschaftliche Trends und Erwartungen hinsichtlich ihrer Implikationen auf berufliche Kompetenz und Autonomie im Kontext des Berufsbildungssystems in einer verlaufsorientierten Entwicklungsperspektive thematisiert“ (S. 9).

Die Veröffentlichung, die als Beiheft 33 der „Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik“ erscheint, gliedert sich in vier Bereiche, von denen der erste Themenschwerpunkt „Zielperspektive Kompetenzerwerb“ in drei Beiträgen berufliche Kompetenzentwicklung unter einer jeweils spezifischen Akzentsetzung für unterschiedliche Stufen der Pflegebildung, konkret für die Pflegeausbildung und für die Fachweiterbildung Onkologische Pflege, beleuchtet. Während Michael Goller, Bianca Steffen und Dirk Lau den „Kompetenzerwerb auf der Schulstation“ (S. 21-47) in den Blick nehmen und sich Eveline Wittmann, Ulrike Weyland, Julia Warwas, Susan Seeber und Matthias Schumann mit der „Operationalisierung und Förderung von Bewältigungs- und Kooperationskompetenzen in der Pflegeausbildung“
(S. 49-68) befassen, stellen Ingrid Darmann-Finck und Claudia Schepers die „Entwicklung eines Mustercurriculums Kommunikative Kompetenz für die Fachweiterbildung Onkologische Pflege“ (S. 69-92) vor.

Der zweite Themenschwerpunkt „Entwicklungslinien Akademisierung und Digitalisierung“, der vier Beiträge vereint, thematisiert Fragen der Akademisierung und grundlegende Entwicklungen, die im Zusammenhang mit der Professionalisierung der Gesundheitsberufe stehen, sowie die Digitalisierung, die im Gesundheitswesen mit vielen Erwartungen, aber auch Befürchtungen verbunden ist. Renate von der Heyden und Sebastian Flottmann nehmen die „Bildungsdurchlässigkeit in der Ergotherapie“ (S. 95-116) in den Blick, Maria Richter, Volker Baethge-Kinsky, Christian Kerst und Susan Seeber informieren „Zum Wandel von Ausbildung und Studium in nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen“ (S. 117-150). Zum Thema Digitalisierung beschäftigen sich zunächst Regina H. Mulder, Patrick Beer, Kathrin Schierl und L. Romina Bornhaupt mit den „Möglichkeiten für Professional Development durch die Veränderung von Arbeit als Folge technologischer Entwicklungen im Gesundheitswesen“ (S. 151-181), bevor Marisa Kaufhold und Joscha Heinze in ihrem Beitrag „Zum Einsatz digitaler Technologien“ (S. 183-211) die Veränderungen beruflicher Aufgaben des Pflegepersonals reflektieren.

Die drei Beiträge des dritten Themenschwerpunkts „Herausforderungen im Kontext von Fachkräftesicherung“ setzen sich – vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, des medizinisch-technischen Fortschritts und des damit einhergehenden steigenden Bedarfs sowie der mit dem Wertewandel verbundenen höheren Inanspruchnahme von gesundheitlich-pflegerischen Versorgungsleistungen – mit der Fachkräftegewinnung auseinander. 

Hierzu beleuchten zunächst Jutta Mohr, Isabelle Riedlinger und Karin Reiber „Die berufspraktische Pflegeausbildung – Zur Entwicklung beruflicher Identität im Kontext des Fachkräftemangels“ (S. 215-241), bevor Florian Fischer, Claudia Boscher, Lea Raiber, Johannes Steinle, Anita Rölle und Maike H.-J. Winter „Implikationen für eine zukunftsorientierte Pflegeausbildung“ (S. 243-267) vorstellen und Jutta Mohr die „Betriebliche Fort- und Weiterbildung in der beruflichen Pflege als Beitrag zur Professionalisierung auf individueller Ebene“ (S. 269-294) thematisiert.

Der vierte Themenschwerpunkt richtet mit zwei Beiträgen schließlich sein Augenmerk unter der Perspektive der weiteren Professionalisierung in den Gesundheitsberufen auf die „Anforderungen an das Bildungspersonal“. Während sich Karin Reiber in ihrem theoretisch-systematischen Beitrag „Fachspezifisches Professionswissen von Lehrpersonen der beruflichen Fachrichtung Pflege im Spiegel domänenspezifischer Anforderungen“ (S. 297-320) mit den aktuellen Herausforderungen für die Lehrer*innenbildung in der beruflichen Fachrichtung Pflege auseinandersetzt, konzentrieren sich Bärbel Wesselborg, Marc Kleinknecht, Ellen Bögemann-Grossheim und Matthias Hoenen in ihrer „Analyse des kognitiven Potenzials von Aufgaben in der beruflichen Fachrichtung Pflege“ (S. 321-348) auf den spezifischen Anforderungskontext, der im Zusammenhang mit unterschiedlichen Aufgaben von Lehrpersonen steht.

Wenngleich im Buchtitel allgemein von Gesundheitsberufen die Rede ist, dominiert bei näherer Betrachtung die fachliche Auseinandersetzung mit den Bildungsanforderungen innerhalb der beruflichen Fachrichtung Pflege. Dies ist jedoch insofern kein Problem, als der Pflegesektor innerhalb der Gesundheitsberufe eine gewisse Vorreiterfunktion einnimmt, indem die Disziplinentwicklung dort vergleichsweise weit fortgeschritten ist und daher ein gewisses Transferpotential für andere Gesundheitsberufe hat.

Insgesamt betrachtet stellt der Sammelband aktuelle Aspekte der Berufsbildungsforschung vor und zeigt weitere Forschungsperspektiven zur Professionalisierung der Gesundheitsberufe und ihres Bildungspersonals auf. Zudem vermittelt er wichtige Impulse für die weitere Ausgestaltung pflegeberuflicher Ausbildung – nicht zuletzt unter dem Blickwinkel der fortlaufenden Professionalisierungsbestrebungen hinsichtlich des pflegeberuflichen Handelns.

Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling