Ursula Wappelhorst, Andreas Kittelmann
Funktionelle Anatomie des Bewegungsapparates
Arbeitsbuch
Elsevier, München, 2021, 219 S., Ringbuch, 25,00 €, ISBN 978-3-437-48051-5
Da fundiertes Wissen über die Anatomie des menschlichen Körpers – insbesondere des Bewegungsapparates – eine wesentliche Voraussetzung für kompetentes (physio-)therapeutisches Handeln ist, ist der Anatomieunterricht für Auszubildende der Physiotherapie, aber auch für Lernende und Studierende anderer medizinischer oder sportwissenschaftlicher Berufe, eines der wichtigsten Grundlagenfächer. Zu ihrem hierzu (gemeinsam mit Christoph Röbbelen) verfassten Lehrbuch „Funktionelle Anatomie des Bewegungsapparates“, das die beschreibende Anatomie mit relevanten funktionellen Aspekten in der Anatomie kombiniert, haben Ursula Wappelhorst und Andreas Kittelmann auch ein gleichnamiges „Arbeitsbuch“ vorgelegt. Die Idee dazu bekamen sie durch ihre langjährige Arbeit mit Auszubildenden in der Physiotherapie und aus der Überlegung, wie man den Lehrenden von der ersten Anatomiestunde bis zum Examen das umfangreiche Wissen in diesem wichtigen Fach so nahebringen kann, dass es auch über die nächste Prüfung hinaus noch lange abrufbar bleibt.
Wie die Autor*innen in ihrem Vorwort schreiben, bedeutet Anatomie gerade zu Beginn der Ausbildung vor allem eines: eine scheinbar unendliche Zahl an Knochen, Muskeln und Nerven mit zum Teil sehr komplizierten Namen, die irgendwie bis zur nächsten Prüfung im Kopf bleiben müssen. Erwerbe man dieses Wissen jedoch nur über Auswendiglernen der scheinbar endlosen Zahl von – meist auch noch lateinischen – Begriffen, habe es für den klinischen Alltag wenig Nutzen. Mit ihrem Arbeitsbuch möchten sie daher den Leser*innen durch zahlreiche, unterschiedliche Aufgabenstellungen die Möglichkeit geben, sich Inhalte und Zusammenhänge auf verschiedenen Wegen zu „erarbeiten“. Zur Bedeutung und Intention ihres Arbeitsbuches halten sie sodann wörtlich fest: „Die Auseinandersetzung mit den relevanten Inhalten aus unterschiedlichen Perspektiven fördert das Verständnis funktioneller und klinischer Zusammenhänge und den Transfer des theoretischen Wissens in die Praxis – anstatt es nur zu lernen. Dabei erhebt dieses Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit – vielmehr haben wir uns bewusst auf aus unserer Sicht prüfungsrelevante Inhalte beschränkt.“
Die übersichtlich gegliederte Veröffentlichung im Großformat, die all denen eine Hilfe sein möchte, „die die Anatomie des Bewegungsapparates nicht nur lernen, sondern auch verstehen wollen“, umfasst drei Kapitel, die durch einen Anhang und Register ergänzt werden. Während sich das 1. Kapitel mit dem „Rumpf“ (S. 1–73) besch ftigt, behandelt das 2. Kapitel die „Untere Extremitä“ (S. 75–147) und das 3. Kapitel die „Obere Extremität“ (S. 149–211). Dabei wird jeweils zunächst der knöcherne Aufbau der entsprechenden Region behandelt, wobei es die zahlreich zu beschriftenden Schwarz-Weiß-Abbildungen ermöglichen, die relevanten Strukturen der einzelnen Sklettelemente zu erfassen. Darauf aufbauend werden die einzelnen Gelenke vorgestellt, wobei alle relevanten Aspekte zum Gelenktyp, den artikulierenden Gelenkpartnern, der Gelenkkapsel und den Bändern sowie m gliche funktionelle Zusammenhänge des jeweiligen Gelenks behandelt werden. Auch hier laden zahlreiche Abbildungen und Aufgabenstellungen dazu ein, den Aufbau der Gelenke zu verstehen und sich deren Funktionen zu erarbeiten. Sodann wird der aktive Bewegungsapparat, das heißt die jeweilige Muskulatur der zuvor beschriebenen Region vorgestellt, die Muskeln in funktionelle Gruppen gegliedert oder nach topografischen Gesichtspunkten eingeteilt. Verschiedene Aufgabenstellungen bieten auch hier die Möglichkeit, sich Funktionen, Besonderheiten und klinische Zusammenhänge zu verdeutlichen. Abschließend zeigen die Autor*innen, wiederum eingebettet in verschiedene Aufgabenstellungen, die Abschnitte der Innervation nochmals mit einem kurzen Überblick über die wichtigsten Leitungsbahnen der entsprechenden Region.
An jedes Kapitel schließt sich ein umfangreicher, gut gegliederter Lösungsteil an. Hier finden sich die Antworten zu allen Aufgabenstellungen einschließlich der entsprechenden Abbildungen, wodurch sich gelerntes Wissen und Lernfortschritte jederzeit leicht überprüfen lässt. Die rund 100 Aufgaben umfassen zahleiche Abbildungen, die aus dem Text heraus beschriftet oder denen bestimmte Begriffe zugeordnet werden sollen. Andere Aufgaben sehen vor, Strukturen – wie beispielsweise Muskeln bestimmten Knochenpunkten, funktionellen Gruppen oder zugehörigen Leitungsbahnen – zuzuordnen, um so Zusammenhänge verschiedener Regionen zu erfassen. Biomechanische Aufgaben fordern schließlich die Anwendung mechanischer Prinzipien, um daraus m gliche funktionelle Konsequenzen abzuleiten beziehungsweise einen konkreten Bezug zur Praxis herzustellen. Im dritten Kapitel dienen darüber hinaus kleine Exkurse zur Allgemeinen Anatomie dazu, wichtige Inhalte auch aus diesem Bereich zu rekapitulieren.
Die unterschiedlichen Aufgabenstellungen verstehen die Autor*innen als Einladung, sie auf jeweils andere Bereiche des Bewegungsapparates zu übertragen. So finden sich zum Beispiel Aufgaben zu möglichen klinischen Auswirkungen peripherer Nervenläsionen, die exemplarisch für einen Nerv dargestellt werden, der in der physiotherapeutischen Praxis häufig betroffen ist, sich jedoch gleicherma en auch auf andere Nerven übertragen lässt.
Ergänzt wird die Darstellung durch einen Anhang (S. 213–219) mit Tabellen zu Körperregionen und wichtigen anatomischen Begriffen aus dem Lateinischen und Griechischen sowie einem Register.
Mit dem „Arbeitsbuch Funktionelle Anatomie des Bewegungsapparates“, das eine optimale Ergänzung zum entsprechenden „Lehrbuch“ ist, kann man sich sehr gut auf Klausuren und Prüfungen in der Physiotherapie-Ausbildung und im Studium vorbereiten. Durch selbstständiges Erarbeiten von Muskelfunktionen anhand von Übungsaufgaben in Text und Bild wird dabei das funktionelle Anatomiewissen und die Biomechanik auf spielerische und nachvollziehbare Art vertieft sowie der Transfer von der Theorie in die Praxis erleichtert. Es bleibt aufgrund von Text und Bild die Lust am Entdecken und Zuordnen ähnlich wie beim Kreuzworträtseln. Insofern eignet sich das „Arbeitsbuch“ bestens für Physiotherapeut*innen in Ausbildung und Studium, ebenso wie für Studierende anderer gesundheitswissenschaftlicher Berufe, die ihr Wissen in der funktionellen Anatomie überprüfen möchten.
Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling