Ursula Wappelhorst, Andreas Kittelmann, Christoph Röbbelen
Funktionelle Anatomie des Bewegungsapparates
Lehrbuch
Elsevier, München, 2020, 257 S., kartoniert, 42,00 €, ISBN 978-3-437-48031-7
Keine Frage, wie in anderen Berufen bedarf es auch in der Physiotherapie zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen umfassender Handlungskompetenz. Dabei ist die genaue Kenntnis von Strukturen und Funktionen des Bewegungsapparates Voraussetzung für eine kompetente Untersuchung und Behandlung. Aber nicht nur Ursprünge, Ansätze und Funktionen von Muskeln, Knochen und Gelenken sind dafür relevant, sondern auch das Verstehen und Nachvollziehen der funktionellen und biomechanischen Zusammenhänge. Ausgehend von dieser Prämisse beziehungsweise aufgrund ihrer langjährigen Arbeit mit Auszubildenden in der Physiotherapie haben Ursula Wappelhorst, Andreas Kittelmann und Christoph Röbbelen in ihrem Lehrbuch „Funktionelle Anatomie des Bewegungsapparates“ die beschreibende Anatomie mit relevanten funktionellen Aspekten in der Anatomie kombiniert.
Ursula Wappelhorst absolvierte von 1994 bis 1997 die Ausbildung zur Physiotherapeutin und arbeitete anschließend in vorwiegend orthopädisch orientierten Praxen. Nach zahlreichen Fort- und Weiterbildungen wirkt sie seit 2001 neben ihrer Tätigkeit in einer ambulanten Praxis als Lehrkraft an einer Physiotherapieschule mit den Schwerpunkten Orthopädie und Funktioneller Anatomie sowie Manuelle Therapie und Biomechanik. 2015 schloss sie ihr berufsbegleitendes Studium „Physiotherapie – Angewandte Therapiewissenschaften, B. Sc.“ ab. Gemeinsam mit Gisela Ebelt-Paprotny und Gudrun Taxhet ist sie Mitautorin und -herausgeberin des „Leitfaden Physiotherapie“ (7. Auflage, München 2017).
Dr. med. Andreas Kittelmann studierte Humanmedizin und wurde 1993 als Arzt approbiert. Anschließend war er als ärztlicher Dozent in der Physiotherapie-Ausbildung tätig und unterrichtete unter anderem die Fächer Funktionelle Anatomie des Bewegungsapparates, Spezielle Krankheitslehre, Neuro- und Muskelphysiologie sowie Medizinische Trainingslehre. Seit 2003 beschäftigt er sich als Medizinaldezernent mit der Ausbildung und Prüfung in den Gesundheitsfachberufen. Gemeinsam mit Ursula Wappelhorst und Christoph Röbbelen veröffentlichte er das „Lehr- und Arbeitsbuch funktionelle Anatomie“ (München 2006).
Christoph Röbbelen absolvierte nach dem Studium der Biologie und Sportwissenschaften die Physiotherapie-Ausbildung und arbeitete anschließend vorwiegend im orthopädisch-traumatologischen und sportmedizinischen Bereich. Neben einem Studium der Osteopathie ist er Heilpraktiker mit eigener Praxis und seit 1998 Lehrkraft für Physiotherapie mit den Scherpunkten Physik und Biomechanik, Funktionelle Anatomie sowie Bewegungserziehung und Sportmedizin. 2018 schloss er den berufsbegleitenden Studiengang „Medizinpädagogik, B. A.“ ab.
In ihrem Vorwort weisen die Autor*innen darauf hin, dass der Anatomieunterricht für die Auszubildenden in der Physiotherapie, aber auch für Lernende und Studierende anderer medizinischer oder sportwissenschaftlicher Berufe, einerseits zwar zu einer eher unliebsamen Pflicht gehört, andererseits aber ein fundiertes Wissen über die Anatomie des menschlichen Körpers – insbesondere des Bewegungsapparates – Voraussetzung für jedes kompetente (physio-) therapeutische Handeln ist. Wörtlich halten sie sodann weiter fest: „Die Anatomie des Bewegungsapparates ist die Basis fast aller unserer Behandlungstechniken und nicht wegzudenken aus der Praxis. Erwirbt man dieses Wissen jedoch nur über das Auswendiglernen von Ursprüngen, Ans tzen und Funktionen der scheinbar endlosen Anzahl von Muskeln, hat es für den klinischen Alltag wenig Nutzen. Berufliche Handlungskompetenz erfordert vielmehr die Anwendung des theoretischen Wissens und ein Verständnis der funktionellen Zusammenh nge.“ Deshalb versuche ihr Lehrbuch, mit dem sie sich an diejenigen richten, die sich mit Prävention, Therapie, Rehabilitation oder ‚einfach‘ mit der Funktion des Bewegungsapparates befassen und denen dabei eine fundierte Kenntnis der Anatomie hilfreich ist, „das funktionelle Verständnis in der Anatomie in den Vordergrund zu stellen.“
Das übersichtlich gegliederte Lehrbuch im Großformat umfasst fünf Kapitel, die durch einen Anhang und Register ergänzt werden. Während im 1. Kapitel „Einführung in die Biomechanik“ (S. 1–25) in einfacher Form alle Grundlagen der Biomechanik erläutert werden, die für das Verst ndnis der funktionellen Anatomie des Bewegungsapparates von Bedeutung sind, gibt das 2. Kapitel einen Überblick über die „Allgemeine Anatomie“ (S. 27–35) des Bewegungsapparates, wobei sowohl die Knochen und ihre Verbindungen als auch die Muskeln mit den entsprechenden Hilfseinrichtungen kurz erläutert werden. Die Kapitel 3 „Rumpf“ (S. 37–107), 4 „Untere Extremität“ (S. 109–178) und 5 „Obere Extremität“ (S. 179–243) beschäftigen sich mit der speziellen Anatomie der Regionen des Bewegungsapparates. Hierbei werden jeweils zun chst der kn cherne Aufbau der entsprechenden Region beschrieben und darauf aufbauend „Steckbriefe“ zu den einzelnen Gelenken präsentiert, die alle wichtigen Informationen zu Biomechanik und Bewegungen des jeweiligen Gelenks enthalten. Am Ende der einzelnen Steckbriefe finden sich – zum schnellen Nachschlagen – alle wesentlichen Angaben nochmals übersichtlich in einer Tabelle zusammengefasst. An die Beschreibung des passiven Bewegungsapparates wird sodann der aktive Bewegungsapparat, das heißt die Muskulatur der zuvor beschriebenen Region vorgestellt, wobei alle Muskeln, übersichtlich gegliedert in funktionelle Gruppen, auch abgebildet werden. Darüber hinaus ermöglichen schematische Darstellungen der Muskelgruppen einen Überblick über Ursprung, Ansatz und Verlauf der jeweiligen Muskeln. Am Ende jeden
Kapitels liefert der Abschnitt „Innervation“ nochmals einen kurzen Üerblick über den Verlauf der wichtigsten Nerven der entsprechenden Region und den von ihnen innervierten Muskeln. Der Anhang (S. 246–257) bietet schließlich neben Tabellen zu Körperebenen und Bewegungsachsen, Lage- und Richtungsbezeichnungen, Bewegungen und Körperregionen, einem Glossar sowie wichtigen anatomischen Begriffen aus dem Lateinischen und Griechischen auch ein Literaturnachweis und ein Register.
Didaktisch ansprechend aufbereitet enthält das Lehrbuch zahleiche farbige Textkästen mit „Merkhilfen“ (orange), „Funktionellen Hinweisen“ (rot) und „Klinischen Bezügen“ (grün). Insgesamt betrachtet werden alle Gedankengänge und Zusammenhänge Schritt für Schritt erklärt und mit vielen exzellenten und detailreichen Farbabbildungen, größtenteils aus dem Sobotta „Atlas der Anatomie“, veranschaulicht. Die Beschränkung auf funktionell bedeutsame Strukturen ermöglicht
es dabei den Lernenden, sich einen guten Überblick zu verschaffen.
Ursula Wappelhorst, Andreas Kittelmann und Christoph Röbbelen haben mit „Funktionelle Anatomie des Bewegungsapparates“ ein sehr praxisorientiertes Lehrbuch vorgelegt, das für Physiotherapeut*innen in Ausbildung und Studium, ebenso wie für Studierende anderer gesundheitswissenschaftlicher Berufe, bestens geeignet ist und auch späterhin immer wieder als Nachschlagewerk dienen kann.
Eine Rezension von Dr. Hubert Kolling