Forschendes Lernen – Lernendes Forschen. Partizipative Empirie in Erziehungs- und Sozialwissenschaften

forschendes lernen lernendes forschenSandra Eck (Hrsg.)
Forschendes Lernen – Lernendes Forschen
Partizipative Empirie in Erziehungs- und Sozialwissenschaften

Weinheim, Basel: Beltz Juventa, 214 Seiten, ISBN 978-3-7799-3888-0, Preis: 34,95 Euro

Thema (Klappentext)
Es geht um die Verbindung von partizipativer Sozialforschung und Forschendem Lernen aus der Sicht verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Dabei finden sowohl theoretisch-methodologische Grundlagen als auch Einblicke in konkrete Bildungs- und Forschungsprojekte ihren Raum.

Überblick Herausgeberin und Autoren
Grundidee des Werkes, Ans tze Forschenden Lernens und partizipativer Sozialforschung vorzustellen, ist, MIT verschiedenen Zielgruppen zu arbeiten – und nicht ÜBER sie zu arbeiten. Die Autorenschaft ist gemischt hinsichtlich der Fachdisziplinen – aber hauptsächlich befinden sie sich in universitären Kontexten. Großteils handelt es sich um mehrere Autoren pro Beitrag. Die Herausgeberin ist Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Frauenakademie München sowie in der inner- und außeruniversitären Lehre tätig.

Aufbau
Das Sammelwerk besteht aus dem Vorwort der Herausgeberin sowie ihrem Beitrag, in welchem sie auf die Thematik eingeht und auf die Beiträge der Autoren. Dann folgen die Beiträge der Autoren, die drei Teilen zugeordnet sind sowie einem vierten Teil mit der Synthese und dem Resümee der Herausgeberin:

  • Teil 1 Theoretische Grundlagen
  • Teil 2 Brücken in die (Forschungs-)Praxis – methodologische Überlegungen
  • Teil 3 Partizipative Ans tze und Methoden konkret
  • Teil 4 Synthese/Resümee

Inhalt
Teil 1 Theoretische Grundlagen
Sebastian Engelmann beschäftigt sich mit Fragen der Beeinflussung durch notwendige Lernprozesse: Lernen zwischen Freiheit und Zwang. Überlegungen zu Heterogenität in partizipativen Räumen der Selbstbildung. Zuerst geht er auf pädagogisches Handeln allgemein ein, indem er sich um einen Begriff von Lernen und Bildung bemüht. Dabei streift er die Antike, kommt schnell in der Jetztzeit an, unternimmt einen kurzen Ausflug in die Psychologie, um dann verschiedene pädagogische Schwerpunkte zu tangieren und letztlich das Forschende Lernen anzusteuern. Hier greift er verschiedene theoretische Zugänge, Konzepte und Gedanken, – insbesondere Dewey „Experience and Education“ auf. Engelmann geht, um einen Begriff von Bildung zu klären, kurz auf Bildungsprozesse ein und zuletzt auf eine Erweiterung von Fähigkeiten, Probleme lösen zu können und Handlungsspielräume zu erweitern, aber auch zu wissen, dass es – da kontingent – auch anders sein könnte. Dazu gilt es, als Lernender ein Übungsfeld im Geschützten zu haben bzw. dieses vorzuhalten. Im nächsten Kapitel entfaltet der Autor, u. a. auf eigene Erfahrungen als Lehrender mit Forschendem Lernen
gründend, neuerlich theoretische Überlegungen. Im Kapitel 3 wird zusammengefasst, dass sich Forschendes Lernen insbesondere darüber auszeichnen kann, „dass Studierende auf ihre eigenen Prägungen und ihre Handlungsspielräume aufmerksam werden“ (S. 30). Hier pointiert der Verfasser seine Thesen noch einmal, und nimmt neue gedankliche Wendungen bzw. Literaturbezüge auf.

Gianpiero Favella klärt in dem wenige Seiten umfassenden Beitrag Zur Evaluation forschungsorientierter Lehre aus Sicht eines kontextsensiblen Evaluationsrahmens zuerst das Verhältnis von Hochschullehre zur Qualitätssicherung und zur Evaluation auf. Er führt kurz in drei Typen von „Forschen und Lehren“ ein und kommt dann zum Eigentlichen: der Realistic Evaluation. Er erklärt deren zentralen theoretischen Komponenten und deren Bedeutung für Evaluation. Gianpiero
Favella beschreibt im Folgenden noch einmal spezieller eine Komponente, die sozialen Mechanismen, und stellt eine Verbindung zu Praktiken in dem jeweiligen (Handlungs-)Feld, in dem die Evaluation stattfindet, her. In seinem Fazit stellt der Autor die praktische Frage für zukünftige Evaluationen: „Welche sozialen Mechanismen als wirksame Praktiken werden in welchen Kontexten in der Lehr- und Lernform der forschungsorientierten Lehre hergestellt?“ (S. 42)

Katharina Friederike Gallant: „Ich weiß, dass ich alleine nicht weiß“. Soziale Repräsentationen von Wissen generiert im diversen Hochschulbildungssetting
Die Autorin geht in Anlehnung an das konstruktivistische Paradigma davon aus, dass Wirklichkeit in der sozialen Interaktion geschaffen wird, Wissen sozial konstruiert wird und letztlich als Repräsentation weitergegeben wird. Die Autorin geht aber im Weiteren noch genauer hauptsächlich auf Moscovici bzw. seine Aussagen ein und differenziert die Thematik. Sie erläutert Unterschied und Gemeinsamkeit zum wissenschaftlichen Wissen. Folgend schreibt sie zur „Bedeutung sozialer Repr sentationen für Gruppen“ (S. 49) und stellt fest, dass Repr sentationen in Gruppen und durch Gruppen entstehen, die dazu neigen, entsprechend ihrer Repräsentationen zu interpretieren „(…)sie wirken auch auf interindividuelle und intergruppale Kontakte bis hin zur Konstruktion und Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Hierarchien“ (S. 50). Dem folgend geht es auf dieser Basis und in der Konsequenz um „soziale Repräsentationen für Lehren und Lernen“ (S. 50). Zum Beispiel die Mitstudierenden sind eine weitere epistemische Gruppe, die eigene soziale Repr sentationen
einbringt. Durch Lernen könen Modifikationen stattfinden, es kann Neues entstehen und es kann Vorhandenes hinterfragt und aufgegeben werden. Dies sind Gedanken, die die Autorin wieder auf Moscovici bezieht. Um „Soziale Repräsentationen in Lehre und Forschung“ darzustellen, gibt es zwei Unterpunkte: „Lehre“ und „Forschung“. Es soll viel Raum für Interaktionen für Studierende geben und ein vertrauensvolles, identitätsstiftendes Lern- bzw. Arbeitsklima bestehen,damit letztlich Forschendes Lernen stattfinden kann. Dafür führt die Autorin einige Beispiele und Methoden an. Von der Seite der Forschung betrachtet, wären für Forschendes Lernen partizipative Forschungsansätze wünschenswert, so die Autorin. Insgesamt führt sie einige Möglichkeiten auf, wie Forschung unter der Perspektive Forschenden Lernens gestaltet werden kann. Dem folgend geht die Autorin auf den Faktor Diversität an Hochschulen in mehrdimensionalen Lernsettings ein und erklärt dieses. Unweigerlich werden, nach ihren Worten, im Kontakt mit „Studierenden anderer epistemologischer Communities (.) Missverständnisse und Dissonanzen auftreten“ (S. 58), was sich zunächst negativ auf die Leistung von Gruppen auswirken kann. Dem wäre positiv z. B. durch „Gruppenreflexion, ein achtsames Miteinander und eine Befürwortung der Diversität“ (S. 59) entgegenzutreten. Forschendes Lernen könne durch seinen partizipativen Charakter eine mögliche hochschuladäquate Hochschulmethodik darstellen. Die Schlussbetrachtung der Autorin bringt das Gedankenkonstrukt noch einmal auf den Punkt.

Teil 2 Brücken in die (Forschungs-)Praxis – methodologische Überlegungen
Ulrike Seiffert-Petersheim: Partizipative Forschungsinteressen und feministische Wissenschafts- und Machtkritik
Die Autorin bezieht sich durchgehend auf Bergold und Thomas, die, so aus dem Literaturverzeichnis (S. 85) nachzuvollziehen, 2012 zu partizipativen Forschungsmethoden veröffentlicht haben und denen es um Forschung mit Menschen geht, dagegen nicht um solche über oder für Menschen. Zum Beispiel Forschungsfragen im partizipativen Setting entwickeln sich in Auseinandersetzung zwischen Forschungspartnern. Es kommt auch eine andere Beziehung zwischen Forschendem und Beforschten als Subjekt-/Objektbeziehung zum Tragen. Und auch hier sind „kontinuierliche Selbstreflexion und dialogische Reflexion als Merkmal im Forschen anzusehen.“ (S. 68) Mit Bergold und Thomas geht es methodisch auch darum, diese partizipative Forschung rechtfertigen zu können. Bezogen auf ein eigenes Forschungsprojekt vertieft die Autorin die theoretische Auseinandersetzung, bezieht sich hauptsächlich auf Ralf Bohnsack und erklärt kurz die Bedeutung der Dokumentarischen Methode. Sie führt Pierre Bourdieu an und führt aus, dass zum Beispiel standortgebundene Wirkweisen von Habitus reflexiv mit aufgenommen werden. Es gibt feldspezifische doxa und illusio seitens der Forscher und Ko-Forscher, die transparent gemacht und reflektiert werden sollen. Folgend geht die Autorin auf Hartmut Rosa ein und „Resonanz als Weltbeziehung“ (S. 76). Resonanzbeziehungen nach dem Soziologen und Politikwissenschaftler Rosa haben
drei Dimensionen: die zu anderen Menschen, die zur materiellen Dingwelt und die zum Leben als Ganzes – zur Welt – zum Dasein. Nach Ansicht der Autorin wirken Resonanzbeziehungen und Weltbeziehung auf das Forschungsgeschehen bzw. „Forschend Lernen und lernend Forschen“ (S. 78) ein. Im letzten Kapitel, vor dem Fazit, erörtert die Autorin „Machtverh ltnisse und Partizipationsversprechen“. Dabei fokussiert sie Frauen als Forschende. Feministische Forschung setzt nach Engel (2016) Impulse, Wissen zu hinterfragen, eine Skepsis gegenüber Selbstverständlichkeiten und Normativität sowie perpetuierte Machtverhältnisse zu zeigen und aufzubrechen. Das eigene Wissen wird in einen herrschaftskritischen Rahmen gestellt, ebenso die eigene Machtposition. Das erfordert die Reflexion sozialer Praktiken bei der Wahl der Themen, der Methodik, der Frage der Konzeptualisierung von Subjekt und Objekt, inhärenter Machtverhältnisse auch in Bezug auf Frauen.
Von der Idee der Emanzipation getragen, ist mit emanzipativer Forschung die  berschreitung des Gegebenen denkbar.

Robert W. Jahn, Marcel Spittel, Mathias Götzl: Forschendes Lernen im Rahmen der Lehrer_innenbildung. Induktive versus deduktive Konzeptionen schulpraktischer Studienphasen.
Die Autoren erörtern zunächst Forschendes Lernen in der Lehrerbildung allgemein und legen die Notwendigkeit für die Professionalität zukünftiger Lehrer dar. Dann wird ein neues Modell ins Feld geführt, das von den Autoren nicht namentlich benannt ist. Dabei geht es um subjektive Theorien von Subjekten, die durch Reflexionen von Lebenssituationen gewonnen werden und bei der Bewältigung zukünftiger Situationen hilfreich sein können. Diese subjektiven Theorien haben auch Studienanfänger, die sich darüber austauschen könen. Dadurch kann intersubjektives Wissen entstehen, das, immer weiter betrieben, letztlich abstrakter und gültiger wird. Als Extrempositionen bezeichnen die Autoren nun bei Praktika o. Ä. der
Studierenden ein induktives Vorgehen und deduktives Vorgehen und verdeutlichen beides an curricularen und hochschulischen Beispielen.

Stefan Thomas, Susan Schr der, David Scheller: Citizen Social Science. Das Research Forum als partizipative Forschungsmethodik.
Anknüpfend an die soziale Lebenswelt von Ko-Forschenden wird hier in die Methodendebatte von Citizen Social Science eingeführt. Bei Citizen Research werden Bürger an Forschungen beteiligt, hauptsächlich bei der Datensammlung z. B. bei Naturbeobachtungen. „Research Forum geht mit der Untersuchung sozialer Ph nomene darüber hinaus. Beteiligte Bürger und Bürgerinnen gelten als Experten des jeweiligen Sozialbereiches. Dafür geben die Autoren ein Beispiel aus ihrer eigenen Praxis und beschreiben das methodische Verfahren im „Research Forum“, das bestimmten Ansprüchen gerecht werden muss. Es wurde sich auf die Ko-Forschenden eingestellt, es müssen alle eingebunden und es muss allen Raum gegeben
sein. Die Ansprüche sind in vier Dimensionen gefasst: „Eröffnung von Räumen, Kommunikation, soziale Selbstverständigung und (Gegen-)öffentlichkeit.“ (S. 107) Diese vier Dimensionen „sind von Idealen der Partizipation, Offenheit und Hierarchiefreiheit geprägt“ (S. 113), heißt es mit dem Verweis auf eine demokratische Gesellschaft in dem Fazit.


Teil 3 Partizipative Ansätze und Methoden konkret Praxisfeld Schule
In dem Praxisfeld Schule kommt Katrin Glawe mit ihrem Dissertationsthema Forschen und Reflektieren im Praxissemester – Chancen und Grenzen für die Professionalisierung aus Sicht von Grundschullehramtsstudierenden zu Wort sowie Katharina Hombach mit Praxisforschung mit Lehrkräften und Christian Timo Zenke, Marlena Dorniak, Johanna Gold, Annette Textor, Dominik Zentarra mit Praxisforschung am Beispiel der Laborschule Bielefeld.

Katrin Glawe geht es um das Forschen von Studierenden für das Grundschullehramt im Praxissemester an der Universität Paderborn. Die Autorin des zu dem Zeitpunkt noch laufenden Projektes interessiert dabei die Sicht der Studierenden mit Blick auf ihr Forschungsprojekt. Die Studierenden stufen Forschung für das Lehrerhandeln unterschiedlich relevant ein. Insbesondere scheint ihnen das Verstehen von Kindern wichtig zu sein. Katharina Hombach befasst sich mit einem Projekt der „Gießener Offensive Lehrerbildung“, Praxisforschung für Lehrkr fte. Dabei geht es um eine Vernetzung von schulischer Praxis, wissenschaftlicher Praxis und beruflicher Weiterbildung und damit hier darum, die eigene Schule weiterzuentwickeln. Die Forschungsfragen werden aus der Berufspraxis der Lehrkräfte aufgegriffen und sie sind selbst als Forschende beteiligt. Die Ergebnisse flie en direkt in die Berufspraxis der Lehrkräfte zurück und werden in ihrer Wirksamkeit evaluiert. Erste Erfahrungen mit dem Projekt zeigen etwa, dass Lehrkräfte mehr Interesse an den Unterricht betreffende Ergebnisse zeigen als an Schulentwicklung und auch an gemeinsamer Forschung im Lehrerteam.

Christian Timo Zenke und andere: Es wird angeknüpft an die Laborschule Bielefeld mit ihrer langen pädagogisch-konzeptionellen Erfahrung hinsichtlich der Überwindung der Rollentrennung von Lehrer und Wissenschaftler zwecks gemeinsamer Arbeit an Praxisproblemen. Inzwischen gibt es eine Trennung von „Schulische Einrichtung Laborschule“ mit einem Deputat an Unterrichtsstunden für Forschungszwecke und „Wissenschaftliche Einrichtung Laborschule“ als eine Einrichtung der Universität Bielefeld. Im gemeinsamen Mittelpunkt steht Schulentwicklung durch Praxisforschung. Die Laborschule vermag zum Beispiel aufgrund ihrer Besonderheiten relativ schnell auf aktuelle Fragen und Probleme zu reagieren. Gleichzeitig reflektiert sie sich und ihre Arbeit in vielerlei Hinsicht auf einer Metaebene. In den Projekten der Laborschule nehmen Lehrkräfte und Wissenschaftler jeweils Doppelrollen ein, wobei ihre jeweilige Expertise bestehen bleibt. In der Realität könne es aber durchaus auch zu Rollendiffusionen kommen, weil die Wissenschaftler auch Lehrer sein können und umgekehrt die Lehrer eine wissenschaftliche Ausbildung und Forschungskompetenz haben. Die Vorstellung einer konkreten Praxisforschung
zu einer Untersuchung der Laborschule selbst verdeutlicht Hintergründe und konkrete Arbeit der Laborschule beispielhaft. Ergebnisse von Praxisforschungen gehen in die Felder Wissenschaft, Bildungspolitik und Schul- bzw. Bildungssystem ein.

Praxisfeld Diversität
Marie-Theres Modes gibt mit ihrem Beitrag Bildungsprozesse ermöglichen und gestalten. Überlegungen aus der heilerziehungspflegerischen Praxis einen Erfahrungsbericht aus der Heilerziehungsausbildung ab, wie Bildungsprozesse mit Menschen mit Behinderung partizipativ gestaltet werden. Nachdem der Stand der Heilerziehungspflege und der Bildungsermöglichungen erörtert sind, werden zwei Projekte vorgestellt, die Heilerziehungspflegerinnen in deren berufspraktischem
Jahr durchführten. In einem ging es darum, dass ein kognitiv beeinträchtigter Mann lernen wollte, mit Zahlen umzugehen und ein weiterer Mann seinen Wortschatz erweitern wollte. Der Wunsch ging jeweils von den Klienten
aus und sie wurden selbstgestaltend in den Lernprozess mit einbezogen.

Alva Träbert, Gabriele Dennert: Wie gestalten lesbische, schwule und transgeschlechtliche Menschen ein gesundes Älterwerden? Erfahrungen aus einem partizipativen Lehrforschungsprojekt: Für LST, also Personen, die nicht heterosexuell lieben und leben, besteht, neben Barrieren zu sozialen Einrichtungen und einem erhöhten Risiko der Altersarmut, auch das Risiko der sozialen Isolation im Alter. Dieses und mehr erklären die Verfasserinnen zu der Thematik. Konkret beschreiben sie ein Lehrforschungsprojekt mit Studierenden mit den Methoden Photovoice und Fokusgruppe. Ko-Forschende für Photovoice waren Personen aus der Community LST. Die Ergebnisse der Studienarbeiten wurden in einem schwul-lesbischen Zentrum vorgestellt. Die beiden Methoden werden von den Autorinnen noch einmal gesondert genauer beschrieben und erklärt. Die Evaluation nimmt Prozess und Ergebnis kritisch in den Blick. Daraus leiten die Verfasserinnen für Nachfolgeprojekte einige Überlegungen ab.

Praxisfeld politische und ökologische Bildung
Alexander Mack, Alexander Wohnig: Verzahnung von partizipativen Bildungssettings, forschendem Lernen und partizipativer Forschung in der politischen Bildung.
Die beiden Autoren schreiben, dass Partizipation in aller Munde ist. Auch Schüler sollen lernen, wie sie sich politisch beteiligen können. Allerdings, so heißt es, seien die realen Beteiligungsmöglichkeiten schulisch eher konventionell gedacht. Daher die Frage, wie reales politisches Handeln Jugendlicher unterstützt und begleitet werden kann. Die Politikdidaktik liefert dazu keine Erkenntnisse, so die Autoren. Davon ausgehend wird zunächst ein Modellprojekt vorgestellt, wo es darum
geht, dass junge Menschen, eigene Themen betreffend, schulisch politische Aktionen als echtes Tun planen, durchführen und reflektieren. Ferner werden im Weiteren vier Ebenen der Partizipation erläutert sowie „Chancen, Probleme, Grenzen und Lernmöglichkeiten“ (S. 176) aufgezeigt, wenn Partizipation als elementar für „Bildung, Pädagogik und Forschung“ (S. 176) gilt, um dann im Fazit die partizipativen Faktoren noch einmal zusammenzufassen. Sowohl das Bildungssetting (Forschendes Lernen) als auch die Forschung und die Beforschung werden in mehrfachem Sinne und auf mehreren Ebenen als partizipativ verstanden. Das Modellprojekt geht auch in die politikwissenschaftliche Lehrerbildung ein. Zuletzt werden Chancen und Probleme, die mit dem Modellprojekt verbunden sind, erklärt, dabei handelt es sich hauptsächlich um institutionelle Beschränkungen.

Kathrin Leutz schreibt zum Thema Forschendes Lernen zum Thema Klimawandel. Die Verfasserin beschreibt Forschendes Lernen allgemein und sieht es, angelehnt an Huber, als partizipativ. Studierende sind gleichzeitig Forscher und Beforschte. Mit der Geographie geht sie auf deren Transdisziplinarität der Forschung ein, um dann, konkreter werdend, Forschendes Lernen in der Geographie an der Universität Heidelberg – auch der Lehrerbildung – zu beschreiben. Dazu bezieht sie sich etwa auf den Forschungszyklus von Atteslander und den Lernzyklus von Kolb. Insbesondere soll für Studierende in der Geographie Klimawandel erlebbar und messbar werden. Studierende sind z. B. aktiv beteiligt Lösungs- und Anpassungsstrategien hinsichtlich des Stadtklimas Heidelberg zu entwickeln. Spezifisch etwa die „kühlende(n) Wirkung von Grünfl chen oder (die) Ermöglichung einer guten Luftzirkulation im bebauten Gebiet.“ (S. 197) Auch Bürger als Experten und Impulsgeber können in die Forschung partizipativ einbezogen sein.


Diskussion
Wir finden und erfahren in Teil 1 und teils in Teil 2 dicht gedrängt Gedankengänge, ebenso dicht gedrängt Literaturbezüge und dabei gleichzeitig tiefgehende Einblicke in unterschiedliche Gedankenwelten. Man erfährt Theoretisches, und zwar neues Theoretisches, das in den klassischen Forschungsbüchern zwar unter anderen Bezeichnungen und innerhalb anderer Zusammenhänge zu finden sein mag, aber nicht in dieser Art so explizit und komprimiert als partizipative Forschung
ausgewiesen ist und darunter einiges zu fassen vermag, das auch unter partizipativer Forschung verstanden werden sollte. Bei den ersten beiden Beiträgen sind manchmal die gedanklichen Anschlüsse nicht so einfach zu überbrücken. Kennt man sich noch nicht aus, will aber Neues erfahren, mag es bei solch hochkonzentrierten Beiträgen noch viel Nacharbeit seitens des Lesers geben, wenn er etwas davon haben will. Der vorletzte Beitrag ist insbesondere wertvoll, wenn man nach guten Beispielen für forschendes Lernen und lernendes Forschen für die Lehrerbildung sucht. Der letzte Beitrag von Teil 2 zeigt ebenfalls einen deutlichen Praxisbezug und erklärt daran auch, um was es gehen soll. Beide eher praxisorientierten Beiträge kommen von Forschern, die selbst damit gearbeitet haben bzw. sie entwickelt haben. Auch diese Beiträge sind wertvoll und sie sind sehr gut zu lesen. Sie wecken das Interesse, es selbst auszuprobieren.

Praxisforschung meint Forschung mit der Praxis und für die Praxis. Praxispartner sind beteiligt als Partizipationspartner oder sind auch diejenigen, die beforscht werden oder deren Feld beforscht wird. Forschendes Lernen und Lernendes Forschen wird hier theoretisch unterschiedlich hergeleitet und zeigt in Teil 3 unter „Partizipative Ans tze und Methoden konkret“ und teils in Teil 2 eindringliche Praxisbeispiele, wie partizipative Forschung und partizipatives Lernen miteinander verbunden gelingen kann. Beteiligte sind als Ko-Forscher etwa Bürger, Lehrer, Studierende, manchmal sind sie in einer Doppelrolle, immer sind sie Mitgestalter. Auch immer finden sich (selbst-)kritische Reflexionen bzw. Evaluationen der Autorinnen und Autoren, wenn sie selbst die Projekte durchführten. Dass Ziele in Projekten, vor allem wenn sie neu sind, nicht immer vollständig und optimal erreicht werden können, zeigt sich zum Beispiel, wenn das Erkenntnisinteresse von Lehrkräften auf Unterricht fokussiert bleibt, aber wenig auf Schulentwicklung oder das gemeinsame Forschen im Team gerichtet ist. Da können dann Zweifel aufkommen, dass Uneigennützigkeit mit der Suche nach einer allgemeinen und transferierbaren Behebung von Praxisproblemen in Einklang zu bringen ist.

Das Buch mit seinen Beiträgen ist insgesamt hochinteressant. Es behandelt einen aktuellen und eher neuzeitlichen partizipativen Forschungsansatz zusammen mit einem aktuellen und eher neuzeitlichen hochschuldidaktischen Konzept, das ebenfalls partizipativ angelegt ist. Es ist auch dadurch anregend, dass die Beispiele aus verschiedenen Disziplinen stammen. Es ist vielseitig, weil es sowohl theoretische Einblicke gibt und weil es durch lebendige Beispiele aufzeigen kann, was gemeint ist. Es führt vor, was andere gerade hinsichtlich „Forschendes Lernen – Lernendes Forschen“ tun und denken und wo der (Mehr-)Wert liegt oder liegen könnte, aber auch was noch änderungswürdig wäre bzw. was aus welchen Gründen noch nicht optimal war.

Eine Rezension von Prof. Dr. Elfriede Brinker-Meyendriesch