Die professionelle Identität von Pflegefachpersonen. Vergleichsstudie zwischen Australien und Deutschland

professionelle identitaet von pflegefachpersonenBettina Flaiz
Die professionelle Identität von Pflegefachpersonen
Vergleichsstudie zwischen Australien und Deutschland

Mabuse-Verlag, Frankfurt, 2018, 504 Seiten, 59,95 €, ISBN 978-3-86321-406-7

Sorgfältige Vergleichsstudien zum Pflegeberuf zwischen verschiedenen Regionen der Welt sind sinnvoll, um voneinander zu lernen und positive Ansätze auch in anderen Ländern zu nutzen. Bettina Flaiz legt eine solche Vergleichsstudie vor. Die als Dissertation an der pflegewissenschaftlichen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar angenommene Studie vergleicht die professionelle Identität von Pflegefachpersonen in Australien und Deutschland. Die Autorin, Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Bachelor- und Masterabsolventin der Hochschule Esslingen, nutzt dazu episodische Interviews mit Pflegefachpersonen, die sie persönlich in Deutschland und in Australien befragte.

Im Theorieteil der Arbeit geht die Autorin zunächst auf den Stand der Forschung zur professionellen Identität ein. Es folgt ein kurzer Abriss zur Geschichte des Pflegeberufs in beiden Ländern. Als theoretische Bezugspunkte werden Wissen, patientenorientierte Pflegeverständnisse, Gruppen, Professionstheorien sowie Bourdieus Habitus-Konzept einbezogen und im Hinblick auf die Fragestellung herangezogen. Es folgt ein Kapitel zum Forschungsdesign, das ausführlich die genutzten Forschungsstrategien darlegt. Bei der Beschreibung der Datenerhebung überzeugt die sorgfältige Konzeption des Erhebungsinstruments, das neben Interviewfragen auch Bilder und Szenarien enthält, zu denen die Befragten Stellung nehmen sollten. Der Ergebnisteil schließt sich an und wird abschließend diskutiert.

Die zentralen Ergebnisse des Vergleichs sind erschreckend, was die professionelle Identität der befragten deutschen Pflegefachpersonen angeht. Dies zeigt sich zusammengefasst in vier Dimensionen. Das Pflegeverständnis ist in Deutschland eher verrichtungsorientiert, bei den australischen Kolleg(inn)en jedoch patientenorientiert. Die Begründungen für pflegerische Entscheidungen erfolgen in Australien wissenschaftsgestützt, während die deutschen Kolleg(inn)en eher mit persönlichen Erfahrungen argumentieren. Das Zugehörigkeitsgefühl zum Team und zum Pflegeberuf ist in Australien stark ausgeprägt, in Deutschland kaum vorhanden. Bei der professionellen Identität zeigt sich bei den deutschen Pflegefachpersonen die große Abhängigkeit von der Medizin, während die australischen Befragten berichten, das Arbeiten geschehe eher auf Augenhöhe. Die Ergebnisse lassen sich in erster Linie damit erklären, dass die australischen Pflegefachpersonen seit den 1980er Jahren nur noch auf Hochschulniveau ausgebildet werden und zur Registrierung verpflichtet sind. Beide Aspekte werden in den Interviews der australischen Pflegefachpersonen immer wieder thematisiert und von Bettina Flaiz gut herausgearbeitet.

Die mehrstufige Auswertung der Interviews ist gut nachvollziehbar und durch Zusammenfassungen, teilweise auch in Tabellen, lesefreundlich aufbereitet. Alle Arbeitsschritte sowie ihre Begründungen sind damit für die Leserinnen und Leser des Buches gut nachvollziehbar. Weiterführend könnte es spannend sein, die Forschungsperspektive zu erweitern und in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaften, z. B. der Anthropologie, der Kultur- und Politikwissenschaft oder auch der Geschichtswissenschaft, zu untersuchen, inwieweit spezifische nationale Charakteristika die professionelle Identität von australischen und deutschen Arbeitnehmer(inne)n auch außerhalb der Pflegeberufe prägen.

Das Buch ist mit 504 Seiten nicht schnell zu lesen. Der sehr gute Aufbau, die Nutzung von Tabellen, die Zusammenfassung der Kapitel in Zwischenfazits und der gut strukturierte Anhang erleichtern die Orientierung. Empfohlen werden kann das Buch allen, die an einer weiteren Professionalisierung der Pflege interessiert sind. Vor dem Hintergrund, dass im Jahr 2021 in einigen Bundesländern die mühsam erst vor wenigen Jahren eingerichteten Pflegekammern wieder aufgelöst werden, ist das Buch auch den politischen Entscheidungsträgern zu empfehlen.

Eine Rezension von Mathilde Hackmann, MSc